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Europa-Bewegung und Wiederaufrüstung!
Wie man jedem Ding schließlich zwei Seiten abgewinnen kann,
eine gute und eine schlechte, so hat auch die drohende Gefahr im
Osten den Völkern Europas den Weg gewiesen, auf dem allein die
abendländische Kultur gerettet werden kann: Durch den Zusammen
schluss der westlichen Staaten. Er hat aber auch unseren bisheriger
Feinden bewiesen, dass eine wirksame Verteidigung Europas ohne
Deutschland nicht möglich ist und hat damit uns eine Chance ge
geben, die wir sonst nur nach jahrelangen Bemühungen hätten er
reichen können. So stehen wir dem Zusammenschluß Europas und dem
Anschluss eines voll gleichberechtigten Deutschlands bejahend
gegenüber. Wir verkennen aber auch die Konsequenzen nicht, die
für uns daraus entspringen:
Man wird einen Beitrag von uns fordern, den wir, wenn wir
unser Land bis zur Elbe geschützt sehen wollen, nicht verweigern
können. Es ist die Frage der Wiederaufrüstung , die in den letzten
Monaten so viel Staub aufgewirbelt hat. Wir wollen nicht "remili-
tarisieren". Wir haben an dem Militarismus übergenug. Aber wir
werden uns damit abzufinden haben, innerhalb einer europäischen
Armee zu unserem Teil mitzuwirken. Die volle Gleichberechtigung
mit den anderen ist eine selbstverständliche Voraussetzung; denn
ein Soldat 2.Klasse wird nie ein überzeugter Kämpfer sein.
Im übrigen ist die Frage der Verteidigung unseres Vater
landes keine solche des "Wollens", sondern des "Müssens". Kein
anständiger und vernünftiger Mensch wird seine Familie, sein ,
Eigentum und sein Vaterland schutzlos fremden Eindringlingen
preisgegeben sehen wollen. Mit gezwungenen Soldaten und Kriegs
artikeln allein schützt man aber das bedrohte Vaterland, wie die
Geschichte lehrt, nicht !
Aber ganz abgesehen von den militärischen Fragen spüren wir
die wirtschaftlichen Folgen der gegenwärtigen Weltlage heute
schon reichlich genug. Es wäre jammerschade, wenn unsere seit
2 Jahren so schön entwickelte Wirtschaft nunmehr in ihrer Ent
wicklung zurückgeworfen oder abgebrochen würde. Denn wenn wir
ehrlich sein wollen, müssen wir doch gestehen, daß vor 5 Jahren
niemand zu hoffen gewagt hatte, daß wir heute schon die Produktion
von 1936 überholt, unseren Export gegenüber von 2 Jahren ver
vielfacht und unsere Volkseinnahmen verdoppelt haben könnten und
heute tatsächlich eine MehrBeschäftigung von Z Millionen Menschen
in unserem verkleinerten Bundesgebiet gegenüber der Vorkriegszeit
haben. Dafür mussten wir freilich auch empfindliche Opfer bringen,
und nicht zuletzt von Landwirtschaft und Gewerbe in unserem Kreis. j
Die Preiserhöhungen auf allen Gebieten, die drückenden Lasten
und Abgaben, die wir früher nicht kannten, belasten gerade unse
ren Kreis relativ viel mehr als andere. Sein Gedeihen beruht auf
einer ruhigen und steten wirtschaftlichen Entwicklung. Von einer
anderwärts rasch ansteigenden Konjuktur haben wir nur wenig Ge
winn. Der Landwirt kann eben nur einmal jährlich seine Produk
tionsmittel umsetzen und weiß auch nicht von vornherein, mit wel- .
ehern Erfolg. So kommt es, daß unser Kreis zu den Steuerarmen im
Lande gehört, weil ihm die freilich auch immer wechselnden Ein
kommensmöglichkeiten einer großen verbreiteten Industrie fehlen.
Und doch bleibt der Landwirtschaft ihre volle Bedeutung erhalten.
Diese ist sogar in unserem auf eine 50 Aige Lebensmitteleinfuhr
angewiesenen Bundesstaat wichtiger denn je; und wenn auch das
Steuereinkommen in unserem Kreis dem von anderen Kreisen unseres
Landes nicht entspricht, so leistet er doch für die Volkser-