Full text: Niederschrift über die 1. bis 7. Sitzung vom 12. Februar 1949 bis 5. Dezember 1951

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Europa-Bewegung und Wiederaufrüstung! 
Wie man jedem Ding schließlich zwei Seiten abgewinnen kann, 
eine gute und eine schlechte, so hat auch die drohende Gefahr im 
Osten den Völkern Europas den Weg gewiesen, auf dem allein die 
abendländische Kultur gerettet werden kann: Durch den Zusammen 
schluss der westlichen Staaten. Er hat aber auch unseren bisheriger 
Feinden bewiesen, dass eine wirksame Verteidigung Europas ohne 
Deutschland nicht möglich ist und hat damit uns eine Chance ge 
geben, die wir sonst nur nach jahrelangen Bemühungen hätten er 
reichen können. So stehen wir dem Zusammenschluß Europas und dem 
Anschluss eines voll gleichberechtigten Deutschlands bejahend 
gegenüber. Wir verkennen aber auch die Konsequenzen nicht, die 
für uns daraus entspringen: 
Man wird einen Beitrag von uns fordern, den wir, wenn wir 
unser Land bis zur Elbe geschützt sehen wollen, nicht verweigern 
können. Es ist die Frage der Wiederaufrüstung , die in den letzten 
Monaten so viel Staub aufgewirbelt hat. Wir wollen nicht "remili- 
tarisieren". Wir haben an dem Militarismus übergenug. Aber wir 
werden uns damit abzufinden haben, innerhalb einer europäischen 
Armee zu unserem Teil mitzuwirken. Die volle Gleichberechtigung 
mit den anderen ist eine selbstverständliche Voraussetzung; denn 
ein Soldat 2.Klasse wird nie ein überzeugter Kämpfer sein. 
Im übrigen ist die Frage der Verteidigung unseres Vater 
landes keine solche des "Wollens", sondern des "Müssens". Kein 
anständiger und vernünftiger Mensch wird seine Familie, sein , 
Eigentum und sein Vaterland schutzlos fremden Eindringlingen 
preisgegeben sehen wollen. Mit gezwungenen Soldaten und Kriegs 
artikeln allein schützt man aber das bedrohte Vaterland, wie die 
Geschichte lehrt, nicht ! 
Aber ganz abgesehen von den militärischen Fragen spüren wir 
die wirtschaftlichen Folgen der gegenwärtigen Weltlage heute 
schon reichlich genug. Es wäre jammerschade, wenn unsere seit 
2 Jahren so schön entwickelte Wirtschaft nunmehr in ihrer Ent 
wicklung zurückgeworfen oder abgebrochen würde. Denn wenn wir 
ehrlich sein wollen, müssen wir doch gestehen, daß vor 5 Jahren 
niemand zu hoffen gewagt hatte, daß wir heute schon die Produktion 
von 1936 überholt, unseren Export gegenüber von 2 Jahren ver 
vielfacht und unsere Volkseinnahmen verdoppelt haben könnten und 
heute tatsächlich eine MehrBeschäftigung von Z Millionen Menschen 
in unserem verkleinerten Bundesgebiet gegenüber der Vorkriegszeit 
haben. Dafür mussten wir freilich auch empfindliche Opfer bringen, 
und nicht zuletzt von Landwirtschaft und Gewerbe in unserem Kreis. j 
Die Preiserhöhungen auf allen Gebieten, die drückenden Lasten 
und Abgaben, die wir früher nicht kannten, belasten gerade unse 
ren Kreis relativ viel mehr als andere. Sein Gedeihen beruht auf 
einer ruhigen und steten wirtschaftlichen Entwicklung. Von einer 
anderwärts rasch ansteigenden Konjuktur haben wir nur wenig Ge 
winn. Der Landwirt kann eben nur einmal jährlich seine Produk 
tionsmittel umsetzen und weiß auch nicht von vornherein, mit wel- . 
ehern Erfolg. So kommt es, daß unser Kreis zu den Steuerarmen im 
Lande gehört, weil ihm die freilich auch immer wechselnden Ein 
kommensmöglichkeiten einer großen verbreiteten Industrie fehlen. 
Und doch bleibt der Landwirtschaft ihre volle Bedeutung erhalten. 
Diese ist sogar in unserem auf eine 50 Aige Lebensmitteleinfuhr 
angewiesenen Bundesstaat wichtiger denn je; und wenn auch das 
Steuereinkommen in unserem Kreis dem von anderen Kreisen unseres 
Landes nicht entspricht, so leistet er doch für die Volkser-
	        
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