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8 0. 0 kl. 1929
§ 293.
Uebernahme -er Straße Wiblingen—Dietenheim auf den Staat.
Im Anschluß an die Beratung des Voranschlags der Ämtskörperschaft für 1929 kommt folgendes
zur Sprache:
Die württ. Jllertalgemeinden zwischen Wiblingen und Dietenheim haben es von jeher als eine
große unerträgliche Last empfunden, daß sie für diese linksufrige von Natur aus als Durchgangsstraße
bestimmte Jllertalstraße die Unterhaltungslast selbst zu tragen haben, was umso unnatürlicher erscheint,
als die Straße in ihrer Fortsetzung von Dietenheim nach Leutkirch und Memmingen Staatsstraße
geblieben ist.
Weshalb der Staat seinerzeit am 1. Juli 1855 die Straßenstrecke Wiblingen—Dietenheim aus
der Staatsunterhaltung herausgerissen hat, ist heute jedenfalls nicht verständlich. Bon jeher wurde
dieser Akt aber als Ungerechtigkeit empfunden. Jetzt im Zeitalter des Autoverkehrs erscheint das
Weiterbestehen des derzeitigen Zustands als direkte Unmöglichkeit. Denn der Verkehr zwischen dem
württ. Unterland, Nürnberg und Ulm einerseits und dem Allgäu und dem Süden andererseits, voll
zieht sich, seit dem der Autoverkehr so stark überhand nimmt, zu einem erheblichen Teil jetzt auch auf
der Straße Wiblingen—Dietenheim, umsomehr als in Wiblingen inzwischen eine neue Brücke über die
Iller erstellt ist und, die Strecke südlich von Dietenheim j a von jeher Staatsstraße geblieben ist. Da
die Straße Wiblingen—Dietenheim nach Breite, Unterbau und teilweise auch nach den Steigungs
verhältnissen für einen gesteigerten Durchgangsautoverkehr völlig ungeeignet erscheint, muß diese Straße
allmählich vollständig ruiniert werden und haben die Jllertalgemeinden, die durchweg unbemittelt sind und
sehr hohe Gemeindeumlagen jetzt schon zu erheben gezwungen sind (teilweise bis 26 Prozent) keine
Mittel, um die Straße in gutem Zustand zu erhalten, noch weniger, um die Straße modernen Grund
sätzen entsprechend zu gestalten. An dieser Tatsache vermögen auch die bisherigen viel zu geringen
Staatsbeiträge nichts zu ändern. Wenn irgendwo, so besteht hier ein dringendes Bedürfnis, daß der
Staat den Mißgriff vom Jahre 1855 wieder rückgängig macht und die Straßenstrecke Wiblingen—
Dietenheim wieder in Staatsunterhaltung übernimmt. Der Staat selbst sollte das allergrößte Interesse
haben, daß der Verkehr, wenn er erst die Straße modernen Grundsätzen entsprechend gestaltet hat,
von der bayerischen Jllertalseite sich noch mehr auf württ. Gebiet herüberzieht. Für einen großen
Durchgangsverkehr, der teilweise jetzt schon festgestellt werden kann, wären auf der württ. Talseite dann
alle Voraussetzungen gegeben.
Aus den angeführten Gründen wird einstimmig
beschlossen:
Beim Württ. Innenministerium bezw. der Württ. Staatsregierung den Antrag zu stellen, die
Jllertalstraße Wiblingen—Dietenheim, welche bis zum Jahre 1855 vom Staat unterhalten worden
ist, wieder in Staatsunterhaltung zu übernehmen und in neuzeitlichem Sinne umzubauen bezw. zu
verbessern und zwar mit Mitteln des Staates, weil die in schlechter finanzieller Lage befindlichen
Jllertalgemeinden außer Stande sind, mit eigenen Mitteln si ch dabei zu beteiligen.
§ 294.
Verstaatlichung -es Katastervermeffnngswefens.
Der Bezirksrat stellt an die Amtsversammlung unterm 18. Juli 1929 — § 174 — folgenden
Antrag:
Die Amtsversammlung »volle beschließen, beim Württ. Innenministerium die Verstaatlichung des
Katastervermessungswesens zu beantragen.
Begründung:
Die Amtskörperschaften haben von Anfang an nur widerwillig das Vermesfungswesen und die
Anstellung der Geometer als Beamte der Körperschaft übernommen, davon ausgehend, daß es
ffch hier um ein staatliches Aufgabengebiet handle. Der Vermessungsdienst weist innerhalb des Landes
insofern Verschiedenheiten auf, als die den Beamten zur Verfügung stehenden bisherigen Unterlagen
sehr ungleichwertig sind und die Landesvermessung speziell im Oberland no ch äußerst unvollkommen
ift, vor allem weil große Gebiete wenig ertragreichen Landes, Moore, Streuwiesen und viele Feld
marken heute unzureichend vermessen sind und wenige feste Vermessungsmarken aufweisen. Demzufolge
erfordern die Vermesinngsarbeiten im Oberland a rich bei kleinen und einfachen Anlässen häufig außer
ordentlich zeitraubende Geometerarbeit und verursachen den Beteiligten oft ungewöhnlich hohe Gebühren,
bie zu mannigfachen Klagen hierüber Anlaß geben. Diesen Umständen entspricht auch die Belastung
ber Amtskörperschaft durch das Vermesfungswesen. Es beträgt der Personalauswand für die Oberamts
geometer und Vermessungstechniker 36918 NM., während an Vermessungsgebühren nur 26 400 RM.
zurückfließen. Es muß angenommen werden, daß in den besser vermessenen Landesteilen bie Gebühren